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 Wuschel das tollpatschige Einhorn

Es war einmal ein kleines Einhorn namens Wuschel, das in einem wunderschönen Tal voller blühender Wiesen, sanfter Hügel und einem klaren Bach lebte. Wuschel war ein liebenswürdiges Geschöpf mit einem weißen, flauschigen Fell und einem golden schimmernden Horn auf seinem Kopf. Allerdings hatte er eine kleine Schwäche: Er war überaus tollpatschig und stolperte ständig über seine eigenen Hufe.

An einem sonnigen Frühlingsmorgen trottete Wuschel fröhlich durch die Blumenwiesen und naschte von den saftigen Kräutern und Blüten. Plötzlich verfing sich sein Huf in einer Wurzel und er fiel der Länge nach auf die Nase. „Autsch!“, rief er und rappelte sich mit traurigem Blick wieder auf. Eine Gruppe anderer Einhörner hatte die Szene beobachtet und lachte schallend über seine Unbeholfenheit. Wuschel senkte betrübt den Kopf und stakste davon.

„Ach, wenn ich doch nur nicht so ungeschickt wäre“, seufzte er bekümmert. „Dann würden die anderen mich bestimmt mehr mögen.“ Wuschel dachte oft darüber nach, wie toll es wäre, ein richtiger Held zu sein. In seiner Fantasie rettete er andere Waldbewohner vor Gefahren, sprang majestätisch über Bäche und alle bewunderten ihn. Doch in Wirklichkeit schaffte er es kaum, ein paar Meter zu laufen ohne über seine Hufe zu stolpern.

Eines Tages erblickte Wuschel in der Ferne eine Rauchwolke aufsteigen. Neugierig trabte er los, um der Sache auf den Grund zu gehen. Als er schließlich die Quelle des Rauchs erreichte, erlebte er eine überwältigende Überraschung: Ein kleiner Feldhase saß in einem bodenlosen Loch fest, das ein Fuchs gegraben hatte, um eine leichte Beute zu machen. Der Fuchs hatte bereits Feuer gelegt, um das Loch auszuräuchern und den Hasen hervorzutreiben.

Wuschel zögerte keine Sekunde. Er rannte los, so schnell ihn seine Beinchen tragen konnten – und stolperte prompt über eine Wurzel. Kopfüber purzelte er in das brennende Loch und landete unsanft neben dem verängstigten Häschen. „Keine Sorge, ich rette dich!“, rief er heldenhaft und versuchte das Häschen an den Ohren aus der Grube zu ziehen. Doch dabei verfing er sich in den Ranken und konnte sich nicht mehr befreien.

Der Fuchs, der die Szenerie mit hungrigen Augen beobachtet hatte, leckte sich bereits genüsslich die Schnauze. Da ertönte plötzlich ein gewaltiges Gehupe und der Boden begann zu beben. Eine Büffelherde kam auf das Geschehen zugerannt, denn sie hatte die Rauchwolke aus der Ferne gesehen und vermutete einen Brand. Die mächtigen Tiere stürmten blindlings durch die Flammmen und zerstampften dabei die Falllöcher und das Feuer. Auch Wuschel und das Häschen wurden von dem Gedränge der schweren Hufe erfasst und lagen keuchend, aber unverletzt neben dem ausgelöschten Feuer.

Der Fuchs ergriff schreckensblass die Flucht und Wuschel richtete sich staunend auf. Die Herde hatte ihn und den Hasen wie durch ein Wunder aus ihrer Notlage befreit! Von Bewunderung erfüllt blickte Wuschel den Büffeln nach, die schon bald außer Sichtweite verschwunden waren. „Das war eine richtig heldenhafe Aktion!“, schwärmte das Häschen und umarmte Wuschel mit seinen Pfötchen. „Ich bin so froh, dass du mich gerettet hast!“

Das kleine Einhorn war ganz erstaunt. Es hatte doch gar nichts getan außer in das Loch zu stürzen! Aber schließlich grinste es verlegen und nahm die Anerkennung des Häschens bescheiden an. Als sie wieder in Wuschels Heimat zurückkehrten, wurden sie schon von einer aufgeregten Menge begrüßt, die allem Anschein nach schon von Wuschels „Heldentat“ gehört hatte. Die Einhornherde umringte ihn und bestaunte ihn mit leuchtenden Augen. Von nun an wurde Wuschel als strahlender Held gefeiert und niemand lachte mehr über seine Tollpatschigkeit.

Auch wenn das kleine Einhorn eigentlich nichts Besonderes getan hatte, war es doch überglücklich darüber, endlich geschätzt und geliebt zu werden. Es genoss die Aufmerksamkeit in vollen Zügen und niemand hätte es in diesem Moment von seinem großen Glück abbringen können. Durch einen wundersamen Schicksalsschlag war aus dem tapsigen Wuschel ein gefeierter Held geworden – wenn auch auf recht kumplizierte Art und Weise.

Eines jedoch hatte diese Begebenheit Wuschel gelehrt: Man muss kein perfektes Wesen sein, um etwas Außergewöhnliches zu leisten. Manchmal spielen auch der bloße Zufall und ein wenig Glück eine Rolle. Und genauso wie andere über Wuschels Ungeschicklichkeit hinwegsehen konnten, so lernte er selbst sie zu akzeptieren und sie sogar zu schätzen. Denn ohne sie wäre aus dem schüchternen Einhorn niemals ein Held geworden.

Von diesem Tag an ging Wuschel viel entspannter und gelassener durchs Leben. Er stolperte nach wie vor hin und wieder, aber statt frustriert zu sein, lachte er einfach fröhlich darüber. Und wenn ihn die anderen Einhörner deswegen manchmal noch auslachten, dann erinnerte sich Wuschel einfach daran, dass sie ihn genauso mögen und bewundern wie er ist.

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